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Eine Vision für Europa in Eurasien

Jacques Cheminade, ehem. Präsidentschaftskandidat, Frankreich

Im Wortlaut

Liebe Freunde, verehrte Gäste,

betrachten wir das, was ich jetzt sagen werde, als einen Versuch, über das nachzudenken, was gestern geschehen ist und was sich heute weiter entfalten wird.

Zunächst einmal: Alles kann sich über Nacht ändern. Unsere Zeit ist eine, in der sich alles über Nacht ändern kann. Entweder beschließen wir, daß diese Veränderung zum besseren führen soll, legen unsere Identität in die Zukunft und kämpfen dafür, daß wir sie herbeiführen – oder wir sind als menschliche Kultur erledigt. Es gibt keinen dritten Weg, denn das derzeitige Weltsystem ist eine lebende Leiche.

Die Folgen der Unterwerfung unter das britisch-imperiale, monetaristische Gesetz werden, wie Lyn gestern schon sagte, von den höchsten Ebenen des britischen Systems laut angekündigt: die Reduzierung der menschlichen Bevölkerung von derzeit sieben Milliarden Menschen auf etwas mehr als eine Milliarde oder sogar noch weniger. Das bedeutet eine Politik des Massenmords, entweder durch organisierte Ausrottung oder durch einen thermonuklearen Krieg. Die Voraussetzungen, um die erforderlichen Lebensmittel für die jetzige Bevölkerung zu erzeugen, ganz zu schweigen von den mehr als neun Milliarden Menschen, die angeblich für 2050 erwartet werden, werden nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für die Energieerzeugung werden nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für wissenschaftliche Entdeckungen und technologische Verbesserungen werden nicht erfüllt.

Eine mörderische Politik

Das Resultat ist tragisch und nicht von der Hand zu weisen. Kein informierter Mensch kann behaupten, er wisse nicht, wohin diese Politik führt. Es ist wie im Nürnberger Tribunal – „wußte, oder hätte wissen müssen“ – und es gibt keine Entschuldigung. Aber die europäischen Staatsoberhäupter verhalten sich so, als ob sie diese Zeitbombe bedienen müßten: Sie reagieren mit Sophismen und Kompromissen auf die mörderischen Bedingungen, die in Griechenland, Zypern, Portugal, Spanien, in Italien und schon bald auch in Frankreich und Deutschland selbst geschaffen werden. Ihre Politik verbreitet Mord, denn ihr Geist ist beherrscht von einer Kultur des Todes.

Betrachten Sie die Ausbreitung von Tuberkulose und Malaria in Griechenland, sehen Sie die griechischen Kinder, die, wie gestern berichtet wurde, den Müll durchsuchen, und die Erwachsenen, die in diesem Winter Bäume in privaten Gärten, in öffentlichen Parks und an den Straßen gefällt haben, um Holz zu haben, damit sie im Winter nicht erfrieren. Sehen Sie die Massen von Menschen in Spanien, die aus ihren Wohungen geworfen werden, Menschen, die sterben, weil es keine Medizin gibt – in Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien. Betrachten Sie auch die steigende Zahl von Selbstmorden, nicht nur dort, sondern auch in Italien und Frankreich. Es gibt jetzt Arbeiter in Frankreich, die sich selbst anzünden – nicht nur Arbeitslose, sondern auch solche, die an den unerträglichen Arbeitsbedingungen zerbrechen. Es ist nicht bloß in irgendwelchen fernen Ländern, es kommt zu uns, zu uns allen, hier und jetzt. Sogar nach Deutschland, das nur noch in den verzweifelten Illusionen der Erniedrigten und Beleidigten des Südens ein sicherer Hafen ist.

Wenn wir diese Zustände betrachten, sie als Bezugspunkt nehmen, dann ist die Zukunft Europas bei der eurasischen Zusammenarbeit nichts anderes als die Übertragung einer Geschlechtskrankheit. Das ist der unmittelbare Grund dafür, warum ein Paradigmenwandel nicht nur notwendig, sondern zwingend notwendig ist. Die Zukunft Europas liegt in einer eurasischen Kooperation, vorausgesetzt, wir ändern unsere Art, zu denken und zu handeln. Das bloß als eine einfache wirtschaftliche Entscheidung innerhalb des gegenwärtigen Systems zu betrachten, wäre nicht nur unehrlich, sondern auch idiotisch.

Die Wahrheit ist, daß es keinen europäischen Aufschwung geben kann ohne die Entwicklung des Mittelmeerraums und Afrikas, und diese Entwicklung kann nicht stattfinden ohne die Entwicklung ganz Eurasiens und dessen Entwicklung nicht ohne den Aufbau der Weltlandbrücke. Das ist keine Frage einer logischen Verkettung, es ist eine Frage der politischen Notwendigkeit. Unser Feind operiert im Weltmaßstab, und deshalb müssen auch wir im Weltmaßstab operieren, von oben her. Es kann heute keine Lösung für irgendwelche Einzelfragen geben, wenn wir nicht die Ursache aller dieser Fragen anpacken. Mit anderen Worten: Für eine europäische Zukunft in einer eurasischen Kooperation müssen wir helfen, die Veränderung an der Spitze herbeizuführen – und das heißt, in den Vereinigten Staaten.

Gegenwärtig sind die Vereinigten Staaten und Europa besetzte Länder, und der Kampf, uns von den Fesseln dieser Besetzung zu befreien, sollte und muß als ein transatlantischer gesehen werden. Es gibt absolut keine Möglichkeit, wie Europa oder irgendein europäisches Land das aus sich selbst heraus tun kann. Das geht nicht.

Das bedeutet nicht, daß die europäischen Länder darauf warten sollten, bis sie durch einen Umbruch in den Vereinigten Staaten befreit werden, sondern es bedeutet, daß wir uns selbst, als individuelle Menschen, als Verbindung zwischen Europa und den Vereinigten Staaten betrachten müssen, um zu helfen, daß der Umbruch in den Vereinigten Staaten so schnell wie möglich erfolgt. Das ist der Ausgangspunkt für die Zukunft Europas in Eurasien, und er liegt notwendigerweise in den Vereinigten Staaten.

Der wahre Feind ist das Britische Empire

Die zweite Wahrheit, die wir identifizieren müssen, ist die wahre Natur des Feindes, des Britischen Empires. Es ist nicht „britisch“ im Sinne einer Nationalität, es ist britisch im Sinne des Empires, das Empire des „Reichs der Tiere“, wie es Lyndon LaRouche nennt. Es behandelt Menschen wie Tiere und fördert zu diesem Zweck die schlimmste aller Drogen im Menschen: die Droge des Geldes und des Glückspiels. Es hält sie gefangen im Empire des Geldes und des Zwangs zum Spielen, fasziniert zu sein von einem morbiden Spiel, um auf Kosten aller anderen obenauf zu sein – das genaue Gegenteil von „Nutzen, Ehre und Vorteil des anderen“, dem Prinzip des Westfälischen Friedens als Grundlage für die Schaffung von Nationalstaaten. Dieses Empire ist darauf aus, sowohl die individuelle Souveränität der Menschen als auch die Souveränität der Nationalstaaten zu beseitigen.

Wir befinden uns jetzt in der Endphase. Nach den Morden an den Brüdern Kennedy und Martin Luther King erzeugte es in einem Maße, das in der Weltgeschichte ohne Beispiel ist, sowohl fiktives Kapital als auch fiktive Pseudo-Güter. Mit Pseudo-Gütern meine ich Dinge, die so produziert werden, daß sie schnell kaputtgehen, um die Menschen zu zwingen, sie erneut zu kaufen, um sie zu ersetzen, und zwar mit Hilfe von Krediten, die ihnen von den Banken gegeben werden, ohne daß dabei irgendwelche tatsächlichen technologischen Fortschritte für die Wirtschaft gemacht werden. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem die Pyramide der Schulden und Kredite nur durch Hyperinflation – den „Bail-out“ – und die Plünderung des Besitzes der Bürger – den „Bail-in“, bei dem die Guthaben in den Banken in Beschlag genommen werden – aufrecht erhalten werden kann.

Das ist kein Kapitalismus mehr, denn der Respekt für das Privateigentum wird den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Es ist kein Kapitalismus mehr, nicht einmal mehr Finanzkapitalismus, denn das System kauft die Menschen weiterhin durch Kredite und Schrottwaren. Es ist ein Finanzfaschismus geworden, der auf der Plünderung aller beruht – aller außer jenen, die durch einen elektrifizierten finanziellen und polizeilichen Ringzaun geschützt werden. Und das ist es, was die britische Oligarchie jetzt direkt vor unseren Augen durchführt. Der Kampf gegen diesen Feind, der nichts anderes ist als eine modernisierte Version des alten Römischen Reiches, bildet die Grundlage der gemeinsamen Zukunft Europas und Eurasiens.

Die entscheidende Rolle der Vereinigten Staaten

Die entscheidende Rolle der Vereinigten Staaten liegt nicht – wie manche Leute in Europa fälschlicherweise meinen – in ihrer physischen Macht, sondern in der Macht ihrer Verfassung, wie LaRouche hier gestern betont hat: ihrer Hamiltonischen Verfassung, die sich ausdrücklich gegen das Britische Empire, gegen das System der oligarchischen Räuber richtet. Sie beruht auf der Tatsache, daß die Existenz der menschlichen Gattung außerhalb der Grenzen des Lebens, wie sie das Tierreich definiert, liegt. Deshalb beruht die amerikanische Verfassung auf den Bedingungen, die für das zukünftige gemeinsame Wohl aller geschaffen werden müssen, und nicht auf einer Extrapolation oder Deduktion der gegenwärtig gegebenen Bedingungen. Sie ist eine „Wette auf die Zukunft“, aber keine Wette auf die zukünftigen Preise auf irgendeinem Finanzmarkt.

Zum Aufbau dieser Zukunft ist eine Nationalbank erforderlich, die den öffentlichen Kredit sichert, der zurückgezahlt wird durch die Entwicklung, die die damit verbundenen Investitionen erzeugen. Das ist, einfach gesagt, das Prinzip der Hamiltonischen Wirtschaft, wie sie in der amerikanischen Verfassung vorgesehen ist, der Vergabe von Krediten für die menschliche Fähigkeit, im physischen Universum schöpferisch tätig zu sein – und nicht für Wetten auf den „Märkten“. Wiederum ist hier der Ausgangspunkt das, was LaRouche als „den wichtigsten Unterschied zwischen dem menschlichen Leben und dem aller anderen Formen des Lebens“ bezeichnet, „die Fähigkeit der menschlichen Gattung nämlich, eine Steigerung der Qualität der Energieflußdichte absichtlich herbeizuführen, was im Fall der menschlichen Gattung der systemisch funktionale Unterschied qualitativer Aufwärtssprünge zu bewußt gewählten höheren Größenordnungen der Energieflußdichte ist.“

Das ist ein sehr wichtiger Aspekt des „Fortschritts“, der keine unendliche Ausdehnung des bereits Bestehenden ist; er ist im Grunde nichts quantitatives, sondern er ist die Schaffung der Voraussetzungen für diese qualitativen Sprünge in die Zukunft. Nicht Pseudo-Güter auf einem relativ gleichbleibenden technologischen Niveau, die mit Spielgeld gehandelt werden, sondern Serien neuer Produkte, die auf der Anwendung neuer physikalischer Prinzipien beruhen.

Und genau das ist es, was die Oligarchie des Empire um jeden Preis verhindern will, weil es die Frage der notwendigen schöpferischen Freiheit des Menschen aufwirft. Ohne die Freiheit des Menschen gibt es keine Schöpfung. Die Oligarchie will ein unveränderliches Universum verwalten, unveränderlich in Raum und Zeit, und wenn die Bedingungen der Unveränderlichkeit ihrer Macht, ihrer Kontrolle nicht erfüllt sind, dann wird ihre Politik immer zerstörerischer, so wie gestern das Römische Reich und heute das Britische Empire. Geld, das unter normalen Bedingungen nur ein Idiot ist, wird dann zum Verbrecher.

Um etwas Nützliches für die Zukunft Eurasiens zu tun, müssen unsere Länder und Menschen in Eurasien daher die Bedeutung der Veränderung in den Vereinigten Staaten verstehen, d.h. die kombinierte Wirkung des Glass-Steagall-Prinzips und eines staatlichen Kreditsystems, die expliziten und impliziten Grundlagen für die amerikanische Verfassung, wie sie in den Vereinigten Staaten unter Franklin Delano Roosevelt und auch in Europa beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg angewandt wurden. Seit dem Tod von Roosevelt und der Ermordung von John Kennedy wurde dieses Verfassungsprinzip in den Vereinigten Staaten verraten und ersetzt durch das britische, monetaristische System. In Europa ist es noch schlimmer: Unsere Staats- und Regierungschefs wurden Lakaien des britischen Systems und Feinde ihrer eigenen Staaten. Die erneute Bekräftigung der Verfassung in den Vereinigten Staaten, wo es den Bezug zu diesem Prinzip gibt, ist daher die Aufgabe für Europa und Eurasien.

Es bedeutet zunächst einmal Glass-Steagall, von Amerika, von den Vereinigten Staaten ausgehend über die ganze Welt als ein globales Glass-Steagall zu verbreiten. Das ist nicht bloß die Trennung der Geschäftsbanken und Investmentbanken, es ist ein anti-monetaristisches Prinzip – ein Prinzip! -, um die hyperinflationäre Plünderung zu stoppen: Die Banken, die auf die Märkte gewettet haben, werden sich selbst überlassen, ohne Bail-outs oder Bail-ins, und werden deshalb offiziell für bankrott erklärt. Sie sind bereits lebende Leichen, Glass-Steagall wird ihr Totenschein sein und für uns alle die Befreiung von ihrer mörderischen Verschmutzung der Umwelt – der eigentlichen Umweltverschmutzung.

Vielleicht erwarten das alle europäischen Staats- und Regierungschefs oder einige, aber sie haben nicht den Mut, sich dem Britischen Empire entgegenzustellen, wie man an der vorgetäuschten Bankenreform in Frankreich sieht. Sie haben sich historisch so tief in dieses System hineingestürzt, das System des britischen Empire, daß selbst jene, die nicht seine direkte Komplizen sind, sich wie Hasen verhalten, die vom Scheinwerferlicht eines daherkommenden LKW gefangen sind: sie sind gelähmt durch ihre Furcht.

Deshalb ist es die erste Schlacht im Kampf für die Zukunft Europas in Eurasien, uns dort für das Glass-Steagall-Prinzip einzusetzen, wo wir gewinnen können, nämlich in den Vereinigten Staaten, und es dann in Europa als Wiedergeburt des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg zu übernehmen, als Grundlage für eine gemeinsame europäisch-eurasische Erholung vom Atlantik bis zum Chinesischen Meer.

Das bedeutet, den Kampf der Freunde Lyndon LaRouches sowohl in Europa als auch in Eurasien bekannt zu machen und zu verbreiten; das ist unsere Aufgabe, diese Aktivitäten hier bekannt zu machen. Und deshalb sind sie hier – deshalb ist heute Diane Sare hier unter uns. [Applaus.] Weil wir sie brauchen! Wir brauchen sie als einen inspirierenden Impuls, einen wesentlichen Hebel, um uns den Mut zu geben, uns selbst von dem zu befreien, was wir aus uns haben machen lassen.

Die positive Ergänzung zu Glass-Steagall ist ein System des öffentlichen Kredits: Sobald der Augiasstall gesäubert ist, brauchen wir eine Maschine, um unsere Zukunft aufzubauen. Das wiederum ist die Idee des Hamiltonischen öffentlichen Kredits auf der Grundlage des Prinzips der Nationalbank, nämlich, der Oligarchie nicht zu erlauben, daß sie das staatliche Privileg, Zahlungsmittel auszugeben, an sich reißt. Die Rückerstattung des Kredits wird bewirkt durch die Leistungen, die mit Hilfe dieses Kredits erreicht worden sind. Unsere Publikationen haben gezeigt, was damit getan werden könnte, sogar schon auf dem gegenwärtigen technischen Stand: die Eurasische Landbrücke, ein Wirtschaftswunder für die Mittelmeerregion und Afrika, einen weltweiten New Deal, wie wir in unserer Kiedricher Resolution vom 16. September 2007 gesagt haben.

Selbstmörderischer Pessimismus

Es ist hier nicht meine Absicht, auf die verschiedenen Aspekte dieser Projekte näher einzugehen, sondern zu zeigen, was uns entgeht, wenn wir sie nicht in Gang setzen. Was uns derzeit wirklich fehlt, ist eine Zukunft für die Menschheit. Tatsächlich verhindert das Euro-System die Schaffung einer Kreditordnung. Es wurde geschaffen, um den Aufbau dieser Ordnung zu verhindern, und es bewirkt Austerität für die Menschen und das bedeutet eine Politik des Massenmords und sichere Häfen für die durch Ringzäune geschützten Herrschaften und Mächte.

Das ist der wichtigste Grund, warum das Euro-System aufgegeben werden muß – nicht bloß als eine einfache monetäre Frage, sondern als ein monströses System, das geschaffen wurde, um die physische Wirtschaft zu zerstören, ein seinem Wesen nach bösartiges System und kein ehrlicher Fehler, wie Herr Lucke fälschlicherweise und dummerweise glauben mag. Unsere Projekte bedeuten, mit einem Wort, daß wir statt dessen die Tore der globalen Konzentrationslager öffnen, die von der Oligarchie des Britischen Empire und seinen Verbündeten geschaffen wurden. Sehen Sie Griechenland, Portugal, Spanien an, und sehen Sie unsere Projekte an: Es ist der Unterschied zwischen Leben und Tod, nicht bloß der Unterschied zwischen zwei zur Verfügung stehenden Programmen.

An diesem Punkt in unserem gegenwärtigen Europa angekommen, treffe ich viele Menschen, die sagen: „Ja, ja, Sie haben ja recht, Sie haben recht, aber es ist nicht möglich, dorthin zu kommen, es ist utopisch, es ist zu schön, um wahr zu sein, zu schön, um es tun zu können.“ Dieser selbstmörderische europäische Pessimismus ist unser schlimmster Feind, eine induzierte Waffe der britischen Oligarchie, in einem Moment der Entscheidung zwischen Selbstzerstörung und einer besseren Zukunft, der perfectibilitas humanitas [Vervollkommungsfähigkeit der Menschheit]. Was hier und jetzt auf dem Spiel steht, ist das Verständnis und die Fähigkeit des menschlichen Geistes die Zukunft zu meistern und zu verbessern und rational an eine Verbesserung zu glauben, die möglich ist – und nicht nur möglich, sondern notwendig.

Vorbild Nikolaus von Kues

An diesem Punkt – um ein Gefühl davon zu vermitteln, was Europa Eurasien als Geschenk für unser gemeinsames Schicksal geben kann – bin ich überzeugt, daß es mehr als legitim ist, das Beispiel eines Mannes anzuführen, der in einem ähnlichen Moment des Wandels wie in unserer Zeit gekämpft hat, zwischen dem Mittelalter und der Moderne, der Mann der Renaissance nach der Großen Pest des 14. Jahrhunderts und während des Hundertjährigen Krieges im 14. und 15. Jahrhundert: Kardinal Nikolaus von Kues. Er ist einer der größten Denker in der Geschichte der Menschheit, doch glauben Sie bloß nicht, er habe sich in einem Kloster niedergelassen, um zu „denken“. Er nahm teil am öffentlichen Leben seiner Zeit, und, das sagen wir nicht oft genug, oft unter Einsatz seines Lebens. Er mußte die religiösen Organisationen in einer Region Europas reformieren, die von der Schweiz bis Hamburg reichte und von Löwen in Belgien bis Magdeburg, ein ansehnlicher Teil Eurasiens. Er war zweimal in der Festung Andraz inhaftiert und mußte alles aufgeben, was ihm gehörte.

1438, als er die Theologen aus Konstantinopel zum Konzil von Florenz begleitete, erfand er das Konzept, das seiner gesamten Theologie und Philosophie zugrunde liegt, die coincidentia oppositorum, das Zusammenfallen der Gegensätze. Dieses Konzept ist wesentlich für die Weltgeschichte und insbesondere für unseren entscheidenden Moment hier und heute, ebenso wie in Florenz 1439. Denn es definiert von oben her, wie Ideen oder Kräfte, die sich auf einer gewissen Ebene zu widersprechen scheinen, nach einem „Sprung“ über alle bestehenden Verbindungen oder Trennungen hinaus auf einer höheren Ebene zusammenkommen können. Diese Sprünge entsprechen genau den qualitativen Aufwärtssprüngen, die ein System öffentlichen Kredits herbeiführen soll, und auch der Grundlage für einen Dialog der Religionen, den Cusa später in seinem Werk De Pace Fidei ausgeführt hat, als den gemeinsamen Vorgeschmack, die gemeinsame pregustatio der Wahrheit im Streben nach der Einigkeit Europas und Eurasiens heute.

Was daran so revolutionär ist, ist, daß das Konzept der coincindetia oppositorum das genaue Gegenteil des Prinzips der Widerspruchsfreiheit des damals vorherrschenden aristotelischen Kultes ist! Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit wirkt in einer Welt der feststehenden, formalen Logik, der gesteuerten Rituale, die den Geist daran hindern, die Ebene der intellektuellen Einbildungskraft zu erreichen, um im „Glanz der Wahrheit“ neue Prinzipien zu entdecken. Da haben wir es: Die Welt der Oligarchie ist die aristotelische Welt einer begrenzten, unveränderlichen Natur, im Gegensatz zur Entdeckung neuer Naturprinzipien und in Opposition gegen jeden Wandel. „Es geht nicht, es ist zu schön, um wahr zu sein, es ist nicht möglich – es ist sogar unmöglich!“ Das ist auch heute wieder genau die Welt der europäischen und transatlantischen Oligarchie, und Cusa gibt uns die Schlüssel, um aus ihr auszubrechen.

In seiner Zeit fand er, nach Diskussionen mit seinem Freund Toscanelli, die Lösung darin, dem Zugriff der europäischen Oligarchie durch das Erreichen eines neu zu findenden Landes zu entgehen. Diese Mission, die zunächst Kolumbus und später der Mayflower übertragen wurde, führte zur Geburt des amerikanischen Prinzips der Massachusetts Bay Colony, des Amerikas der Mathers, Hamiltons, Lincolns und Roosevelts, das auf dem Aufstieg der Menschheit durch die Transformation des Menschen und der Natur zum allgemeinen Wohl beruhte, dem Prinzip des Gemeinwohls und dem Dienst an den zukünftigen Generationen.

Das ist, über die Bevölkerung und das Territorium hinaus, Amerika als Prinzip, als System der menschlichen schöpferischen Kraft. Das ist es. Es existiert in der gegenwärtigen Organisation der amerikanischen Präsidentschaft nicht, aber es existiert dort als Prinzip, und es ist unsere Aufgabe, dieses Prinzip zu verwirklichen und seine Wiedergeburt herbeizuführen.

Unsere Aufgabe heute ist, diesen Prozeß des Werdens, der mit der Entdeckung und der Gründung der Vereinigten Staaten verbunden war, durch die Entwicklung Eurasiens und darüber hinaus fortzusetzen, mit einer Weltraumpolitik, angefangen mit der Verteidigung des Planeten. Das ist der Zustand, in dem der menschliche Geist seine Integrität erhalten kann.

„Tagträumer, Tagträumer!“, so hören wir in Europa manche sagen. Und einige schreien von ihrer Stellung im tiefen, gefrorenen Tal des Aristotelismus aus: „Es ist unmöglich, es ist unmöglich!“

Ihre Blindheit verwechselt ein Gedankenexperiment mit Tagträumen. Sie haben keinen Sinn für das, was es ist. Tagträume? Nun, die Antwort ist, daß der gleiche Cusa, der diese philosophischen und theologischen Konzepte entwickelte, es war, der in seinem Dialog Idiota, De Staticis Experimentis (Der Laie über Versuche mit der Waage), die Prinzipien der gesamten modernen Mechanik und Medizin entwickelte, durch sein Konzept des Wissens durch Wiegen, wobei das Gewicht eine Reflektion einer höheren Realität ist: Das Messen des menschlichen Gewichts, seiner Atmung, seines Atems, seines Urins, entsprechend seinem Alter, um den physischen Gesamtzustand festzustellen, der sich hierin zeigt, und gleichzeitig, in der gleichen Weise, mit dem gleichen Vertrauen, Musik, astronomische und meteorologische Instrumente zu entwickeln – Hygrometer, Barometer und auch Pegel. Der wichtige Punkt ist, daß es ein Philosoph war, der ein Prinzip des vollkommenen Gleichgewichts aufstellte, das in der Lage ist, die Unvollkommenheit der menschlichen Sinne auszugleichen; es war dieser Philosoph, der die Grundlage für die mechanische Wissenschaft legte, und nicht ein Aristoteliker, der von mechanischen Beziehungen zwischen Objekten besessen war!

Ich möchte es jetzt noch in einer anderen Weise ausdrücken, die mit der gestrigen Diskussion über Energie zusammenhängt: Energie und Kraft sind als zwei entgegengesetzte Spezien zu verstehen. Das aristotelische, oligarchische Konzept ist das der Energie. Es ist linear, es berücksichtigt die produzierten Einheiten, nimmt dann deren Menge und addiert die Einheiten, unabhängig von dem Prozeß ihrer Erzeugung. Das ist Fleisch für akademische Esel, eine mathematische Sackgasse.

Das antiaristotelische, Kusanische und Leibnizianische Konzept ist das der Kraft. Es mißt die Steigerung der Flußdichte durch den Produktionsprozeß, was dem Niveau der Produktivkräfte der Arbeit pro Kopf und pro Quadratkilometer entspricht. Das ist nicht Fleisch, sondern Substanz für kreative Geister. Es bedeutet die Zukunft, die durch den Fortschritt erreicht wird. „Schreitet voran, schreitet voran“, sagte LaRouche gestern. Es bedeutet Kernfusion, und es bedeutet Kernfusion als Weg zum Mars.

Ich muß hinzufügen, daß es Helga Zepp-LaRouche war, als Expertin für die kreative Entschlossenheit Cusas, die das Prinzip der Eurasischen Landbrücke erdachte, und nicht eine Versammlung gelehrter Esel, die durch ihre formelle Expertise geknebelt und zufrieden sind mit dem Futter, was ihnen die Akademien geben. Sie war es.

Cusa selbst nimmt auf eine sehr interessante Weise Stellung, um seinen Optimismus über den menschlichen Geist zum Ausdruck zu bringen, in seiner Jagd nach der Weisheit, seinem vorletzten Werk: „Da ich jetzt in dem Buch des Diogenes Laertius Über das Leben des Philosophen über die verschiedenen Jagden der Philosophen nach der Weisheit gelesen habe, war ich gezwungen, meinen Geist dieser so angenehmen Spekulation zu widmen, da dem Menschen nichts köstlicheres widerfahren kann.“ Und er schließt: „Daher glaube ich, daß ich das rohe und noch nicht vollständig gereinigte Konzept meiner Jagden, De venatione sapientae, so weit entwickelt habe, wie es mir möglich ist, und lege nun dies alles ihm vor, der so viel besser in der Lage ist, über diese erhabenen Gegenstände nachzudenken.“

Nun – wer ist ihm? Wir! Wir sind es! Wir sind herausgefordert, nach der Weisheit zu jagen, herausgefordert, voranzuschreiten und das Unmögliche möglich zu machen, was das erfreulichste ist, was man leisten kann, weil es das am meisten menschliche ist.

Glass-Steagall, eine Kreditpolitik, die Eurasische und die Weltlandbrücke, eine Politik zur Verteidigung der Erde – das sollte die europäische Philosophie sein, die sich im Prozeß einer aktiven, leidenschaftlichen Jagd entwickelt; es sollte unsere gemeinsame europäische, eurasische Philosophie sein, um die Menschheit aus ihrer Grube herauszuheben.

Wie ich schon sagte, alles kann sich über Nacht ändern und es hängt von uns ab, daß dies zum Guten wird, und nicht zu dem, was die Briten für uns vorbereitet haben, eine Hölle auf Erden.

Vielen Dank.

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